Containment unterstützt lernende Organisationen

Fritz Kahns Lernplakat einer Menschmaschine aus dem Jahr 1926 wirft auch für das Zeitalter der entgrenzten, arbeitsbezogenen Smartphone-Nutzung wieder die Frage nach den Funktionsbedingungen werktätiger Menschen auf.
Fritz Kahns Lernplakat einer Menschmaschine aus dem Jahr 1926 wirft auch für das Zeitalter der entgrenzten, arbeitsbezogenen Smartphone-Nutzung wieder die Frage nach den Funktionsbedingungen werktätiger Menschen auf.

Leader Development mit Containment

 

Wer in Organisationen Verantwortung für Kolleginnen und Kollegen übernimmt, hat es immer auch mit zwischenmenschlichen Spannungen zu tun. Die zunehmende Technisierung der Arbeitswelt in allen Branchen lässt leicht vergessen, dass der Mensch keine Maschine ist. Die Digitalisierung der Arbeitswelt führt zu Spannungen, sofern sie etwa den Druck erhöht, überall und jederzeit erreichbar zu sein. Die Entgrenzung der Arbeit und ihre kritischen Folgen für die Gesundheit von Mitarbeitenden wird auch im aktuellen Weißbuch “Arbeiten 4.0” des Bundesministeriums für Arbeit thematisiert. Überforderung und Ausfallzeiten sind häufig Begleiterscheinung dieser Entwicklung. Welche Möglichkeiten gibt es für Fach- und Führungskräfte in Organisationen, dem zunehmenden Druck in der modernen Arbeitswelt zu begegnen?

 

Mehr Mitsprache für Beschäftigte

 

Ein Lösungsweg liegt in der Stärkung der Beteiligungsmöglichkeiten von Beschäftigten, um ihnen mehr Mitsprache zur Prävention von tatsächlich praktiziertem Entgrenzungsverhalten zu gewähren. Partizipatorische Ansätze bei Flexibilisierungsformen sind indes traditionell beim Arbeitgeber verortet. Hierin liegt zumal auch die Chance, die Arbeit an die Bedürfnisse und Lebenslagen der Beschäftigten anzupassen. Somit ließe sich zugleich auch ein Stück der Kommunikationskultur einer Organisation neu prägen. Denn im Wesentlichen handelt es sich dabei um kommunikative Prozesse, also um Möglichkeiten und Räume, wo sich Führungskräfte, Kolleginnen und Kollegen begegnen und austauschen können.

 

Kommunikationskultur versus Verdrängungskultur

 

Eine zeitgemäße Kommunikationskultur in einer Organisation erlaubt es, einen Austausch von Informationen möglichst auf Augenhöhe zu führen. Doch während die Kommunikationskultur in den meisten Unternehmen und Organisationen zumindest in der Theorie einen hohen Stellenwert hat, ist die Realität vielfach von einer Verdrängungskultur bestimmt, in der Probleme, Konflikte und Ängste abgewehrt werden müssen.

 

Containing fördert Kreativität und Zusammenhalt

 

Verdrängungskulturen hemmen jedoch die Entwicklungs- und Innovationskraft von Organisationen; sie tragen dazu bei, dass Fehler häufiger auftreten, Projekte schiefgehen oder Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Um hiergegen anzusteuern, sind Führungskräfte dazu aufgerufen, wirksame und nachhaltige Mittel der organisationsinternen Kulturförderung einzusetzen. Ein solches Mittel ist das Containing, hinter dem eher eine Haltung als eine Methode steckt.

 

Vom Affekthandeln zum Austausch auf Augenhöhe

 

Containing verlangt zunächst, das eigene Agieren zu unterbinden. Da es sich beim Containing um ein subjektives Erkenntnismedium handelt, hat es viel mit Erinnern und Rückbesinnen zu tun. Das ist auch für Prozesse und Ereignisse wichtig, die in Organisationen stattfinden bzw. stattgefunden haben. Der Behältermetaphorik liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Container, beispielsweise eine Führungskraft, das Contained in sich aufnimmt und es in verträglicher Weise an Kolleginnen und Kollegen zurückgibt. So hilft man sich gegenseitig dabei, eine affektiv aufgeladene Situation zu verarbeiten und den Kopf wieder frei für neue Lösungsansätze zu bekommen. Beim Containing handelt es sich insofern um eine Variante der Ambiguitätstoleranz, die im Kontext von Diversity und Chancengerechtigkeit am Arbeitsplatz eine Rolle spielt.

 

Wider den Wiederholungszwang

 

Die Rückbesinnung auf bisherige Verläufe trägt auch dazu bei, Fehler nicht wiederholen zu müssen, um sich ihrer gleichsam implizit, durch Ausagieren, zu erinnern. Viele meiner Klienten sind überrascht, wenn sie feststellen, dass es ganz ähnliche Situationen, Konflikte oder Szenarien in der Vergangenheit bereits gegeben hat. Durch diese Bewusstmachung fällt es leichter, Lösungen für den Umgang mit bestimmten Situationen zu finden. Auch für erfahrene Führungskräfte besteht das Risiko, dass ihre Subjektivität wiederholt zur Quelle von Projektionen wird.

 

Containing unterstützt lernende Organisationen

 

Oftmals bietet sich uns der Andere als eine Projektionsfläche für abgewehrte oder verdrängte Ich-Anteile, was in Form von Ressentiments oder Vorurteilen zum Ausdruck gelangt. Damit geht eine Einschränkung des freien Denkens einher, die den komplexen Anforderungen einer globalisierten Wirtschaft zuwiderläuft. Containing fördert indes die Lernbereitschaft von intelligenten Organisationen und ihrem Führungspersonal, indem sie sich im Denken an Unterschieden ausrichtet und eigene oder strukturelle Voreingenommenheiten zu überwinden sucht. Die positiven Effekte des Containings lassen sich im Rahmen eines Containing-Seminars und eines individuellen Leader Coachings praxisnah vermitteln. Führungskräfte sind gut beraten, hiermit bei sich selbst zu beginnen. Denn wer Veränderungen will, muss auch von sich selbst verlangen, die Komfortzone zu verlassen.

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